3.2.2. Weimarer Republik und Nationalsozialismus (Pfaffendorf)
Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte
einschneidende Veränderungen im schulischen Bereich mit sich. Der neue
Geist, der jetzt deutlich zu spüren war, zeigte sich zum Beispiel
deutlich in der Bezeichnung von kirchlichen Handlungen im Unterricht
als "Störungen" (GA 34-0, 18.Dez.1918).
Besonders einschneidend war die Aufhebung der geistlichen
Schulaufsicht.
"1918 Nov.27: Mit dem Tag der Verkündigung verordnen wir wie folgt:
1. Die geistliche Ortsschulaufsicht in Preussen ist von heute ah
aufgehoben.
2. Die bisherigen Inhaber bleiben solange im Amt, bis ihre Befugnisse
durch die Kreisschulinspektoren übernommen werden.
3. Die Übernahme ist unverzüglich in die Wege zu leiten und muß am 31.
Dezember abgeschlossen sein.
Diese Verordnung geht an alle Regierungen; an die Reg. zu Coblenz,
Abt. II am 6.Dez.1918,
An die Herren Kreisschulinspektoren
Abschrift zur Mitteilung an die mit der Ortsschulaufsicht beauftragten
Geistlichen unter dem Ausdruck unseres wärmsten und herzlichen Dankes
für die zum Segen der Schule und des Volkes in hingebender Treue
geleistete erfolgreiche Arbeit. Die Mitgliedschaft der Geistlichen in
den Schulvertretungen (...) wurde hierdurch nicht berührt.
Die Verhandlungen wegen der Übernahme der Befugnis der geistlichen
Ortsschulinspektoren sind so einzurichten, daß die
Kreisschulinspektoren sie vom 1. Januar 1919 ab ausüben. (LHA Koblenz
Abt. 441, Nr.26151.)."
Naturgemäß kam es zu harten Auseinandersetzungen zwischen der
preußischen Regierung und der lokalen Schulaufsicht: Der preußische
Kultusminister Hoffmann wollte die geistliche Schulaufsicht ganz
beenden und ordnete daher an, daß es nötig sei,
"jeden Zwang zu religiösen Übungen und Äußerungen, auch zur
stillschweigenden Beteiligung an ihnen zu beseitigen. Schon längst
fordert das öffentliche Gewissen die Beseitigung dieses Restes eines
vergangenen Zeitalters, des Zeitalters der Ketzerverfolgungen und
Religionskriege, des Zeitalters, wo die Staatsgewalt die heilige
Freiheit der Seele mißachtend, mit äußeren Mitteln glaubte, einen
Glauben erzwingen, erhalten und verbreiten zu können. ...
Es ist unzulässig, im Religionsunterricht der Schule häusliche
Schularbeiten, insbesondere das Auswendiglernen von
Katechismusstücken, Bibelsprüchen, Geschichten und Kirchenliedern
aufzugeben.
Im übrigen betonen wir nochmals, daß unsere Verfügung nur den
Schulunterricht betrifft, und daß dem kirchlichen Unterricht mit
freiwilliger Beteiligung keine Beschränkung auferlegt wurden." (LHA
Koblenz Abt. 441, Nr.26312,29. Nov.1918)
Formfehler in der Verfügung und der starke Protest des Zentrums
führten dann zu einem Kompromiß, der am 11. August 1919 in der
Weimarer Verfassung verankert wurde. (Art. 135ff., insbesondere Art.
146: "Innerhalb der Gemeinden sind indes auf Antrag von
Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer
Weltanschauung einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter
Schulbetrieb.... nicht beeinträchtigt wurde.")
Auch die evangelischen Pfarrer der Synode Koblenz hatten am 4. Januar
1919 einen harschen Protest an die königliche Regierung aufgesetzt:
"Die heute hier versammelten Pfarrer ... haben einmütig beschlossen:
1. In der Frage der Trennung von Staat und Kirche auf dem Gebiet der
Schule weisen wir die willkürlichen, diktatorischen Verfügungen der
vorläufigen Regierung mit aller Schärfe zurück. Von der
Nationalversammlung fordern wir, daß unter allen Umständen die Würde,
die Rechte, die Freiheit und die wirtschaftlichen Lebensbedingungen
der evangelischen Kirche gewahrt werden.
2. Für die Schule fordern wir die Beibehaltung des bisherigen
lehrplanmäßigen konfessionellen Religionsunterrichtes...."
Zwar wurden die Geistlichen endgültig von der Schulaufsicht
ausgeschlossen, aber Religionsunterricht blieb ordentliches
Unterrichtsfach; ebenso blieben die Konfessionsschulen erhalten.
Neu war die Einführung von Schulelternbeiräten (Erlaß vom 5.Nov.1919),
ebenso die Vorschrift, daß alle Kinder eine vierjährige Grundschule
absolvieren müssen. (28. April 1920).
Diese neue Schulaufsicht hatte zur Folge, daß sich die Quellenlage
sehr verändert. Aus dem Gemeindearchiv ist nur noch wenig von
ökumenischen, pädagogischen und anderen Problemen der evangelischen
Schulen in der Gemeinde Pfaffendorf zu finden.
Stereotyp findet sich in den statistischen Bögen über die Situation
der evangelischen Kirchengemeinde Pfaffendorf jedes Jahr die fast
gleiche Formulierung: "Ev. Schulen in Pfaffendorf drei evangelische
Volksschulen: Je eine in Ehrenbreitstein, Pfaffendorf und Horchheim;
Existenz nicht gefährdet; Stellung der Lehrer zur Kirche ist
freundlich; Lehrer in Ehrenbreitstein ist Organist". (GA 03-4,
Jahresbericht 1920ff.)
1896, nach der Umwandlung der zweiklassigen Schule in Pfaffendorf in
eine einklassige, war die zweite Lehrerstelle nicht aufgelöst worden,
sondern sie ruhte nur. Die Horchheimer Schüler sollten in die Schule
von Pfaffendorf gehen. Die Zunahme der evangelischen Bevölkerung in
Horchheim führte zur Gründung einer evangelischen Schule in der
Horchheimer Schule am 1. Juni 1921 mit ihrem ersten Hauptlehrer Karl
Cloos. 1924 gab es einen Schulelternbeirat aus 5 Mitgliedern (s. GA
34-2;22. Okt.1924)
Die Schülerzahl war meist um die 30. Ich habe mich mit der Problematik
dieser evangelischen Schule aus oben schon erwähnten Gründen nicht
näher befaßt.
In Pfaffendorf weisen auch für die Weimarer Republik die beiden
Hauptquellen, die evangelische Chronik und das katholische Tagebuch,
deutlich weniger Aufzeichnungen auf als in der vorherigen Phase, ganz
wenige existieren nur aus der Mitte der zwanziger Jahre. Diese
Reduktion ist sicher auch auf die schwierigen Verhältnisse in dieser
Zeit zurückzuführen. Auch konnte Lehrer Maurer nach dem Kriegsende
mehrmals über Monate keinen Unterricht erteilen, wohl nicht nur aus
reinen Krankheitsgründen, wegen Grippe, sondern er sah sich wiederholt
bösen Angriffen von seiten der Elternschaft ausgesetzt. Er hatte
sicher den Wechsel vom Kaisertum zur Demokratie nur schwer verkraftet.
Krank und resigniert schied er aus dem aktiven Dienst:
"Am 1. April1922 trat Lehrer Maurer nach 45-jähriger Dienstzeit in
Pfaffendorf in den wohlverdienten Ruhestand. Herr Schulrat Hildersch
überreichte ein Schreiben der Regierung mit dem Dank für seine Arbeit
und den besten Wünschen für einen freundlichen Ruhestand."
Daß die Pensionierung dieses langjährigen Hauptlehrers in dem
katholischen Tagebuch mit keinem Wort erwähnt wurde, beleuchtet
deutlich das Verhältnis zwischen den beiden Schulen in demselben
Gebäude.
Interessant aber erscheint, daß es jetzt in der Weimarer Republik ohne
weiteres möglich war, daß die evangelische Schulklasse vom
katholischen Lehrer Schäfer mitverwaltet wurde, ehe im Februar 1922
Lehrer Klütz aus Neuwied die evangelische Schule übernahm. Ebenso
vertrat vom 24.10. bis 13.11.1923 der katholische Lehrer Wagner den
erkrankten Lehrer Klein, eine Aufzeichnung, die sich allerdings nur in
dem katholischen Tagebuch findet.
Durchaus Anfänge einer neuen Entwicklung im Verhältnis zwischen den
beiden Konfessionen können wir hier ausmachen, aber wohl eher auf der
Verwaltungsebene als auf der direkten schulischen Ebene des
Zusammenlebens.
Die schulische Entwicklung in der Weimarer Republik zeigt insgesamt
"eine pädagogisch sehr fruchtbare Zeit..." (Schüler, S.54). Die
Unterrichtsprinzipien der Arbeits- und Heimatschule wurden eingeführt,
der ganzheitliche und heimatverbundene Unterricht stand in vorderster
Linie. Ein Blick in die Richtlinien und Lehrpläne (LHA Koblenz, Abt.
441, Nr.26151) veranschaulicht die neue Zeit: "Im gesamten Unterricht
der Grundschule ist der Grundsatz zur Durchführung zu bringen, daß
nicht Wissensstoffe und Fertigkeiten bloß äußerlich angeeignet,
sondern möglichst alles, was die Kinder lernen, von ihnen innerlich
erlebt und selbsttätig erworben wird. Deshalb hat aller Unterricht die
Beziehungen zur heimatlichen Umwelt der Kinder sorgsam zu pflegen. Die
Selbstbetätigung der Schüler im Beobachten von Natur- und
Lebensvorgängen, namentlich auf Lehrspaziergängen und Wanderungen,
ferner in der Ausübung von Handtätigkeiten ist ausgiebig für die
Zwecke des Unterrichts nutzbar zu machen.
Die Lehrgegenstände der Grundschule sind Religion, Heimatkunde,
deutsche Sprache, Rechnen, Zeichnen, Gesang, Turnen und für die
Mädchen des dritten und vierten Schuljahres Nadelarbeit. Für den
Anfangsunterricht ist eine strenge Scheidung der Lehrfächer nach
bestimmten Stunden nicht vorgeschrieben, statt ihrer vielmehr ein
Gesamtunterricht zuzulassen, in dem die verschiedenen
Unterrichtsgegenstände zwanglos abwechseln. Im Mittelpunkte dieses
Gesamtunterrichts steht der heimatkundliche Anschauungsunterricht." (LHA
Koblenz, Abt. 441, Nr.26151). Vergleicht man damit den Stundenplan für
die evangelische Volksschule aus dem letzten Jahrhundert, so wird der
ganze pädagogische Neuanfang in der Weimarer Republik klar. Deutlich
wurde das in unseren Quellen und Akten aber nur indirekt. Die
Aufzeichnungen der evangelischen Schule werden dürftig, bedingt sicher
auch durch die Krankheit des Lehrer Maurer. Aber in den Aufzeichnungen
der katholischen Schule wurde die neue Richtung sehr deutlich spürbar:
Die Ausflüge in die nähere Umgebung nahmen einen großen Teil des
Unterrichts ein.
Die neue Staatsform Demokratie spiegelte sich in den neuen
Beteiligungsmöglichkeiten der Eltern:
Elternbeiräte wurden gewählt - allerdings oft unter mangelnder
Beteiligung. Dreimal mußte zur Wahl des Elternbeirates eingeladen
werden - wegen mangelnder Beteiligung. Elternabende werden
veranstaltet.
"Am 2.12.1928 fand der erste Elternabend der evang. Volksschule im
vollbesetzten Saale von Kröll statt, bestehend aus instrumentalen,
gesanglichen und theatralischen Darbietungen. Von der Firma Bürger in
Koblenz war ein Konzertflügel gestellt worden, auf dem Konzertmeister
Müller mit Frl. Heinrich (Violine) eine Schubert-Sonatine vortrug.
Darauf sangen die Schulkinder: "Leise rieselt der Schnee" und "Süßer
die Glocken nie klingen". Zwei Weihnachtsmärchen "Schneeweißchen und
Rosenrot" und "Rübezahl und Holzhauer" wurden von Eltern und Kindern
der Schule aufgeführt. Alle Darbietungen dürfen als gelungen
bezeichnet werden. Voller Befriedigung verließen die Zuhörer gegen 9
Uhr den Saal. Der Beginn war auf 4 Uhr festgesetzt."
Ein weiterer Elternabend fand am 2.11.1930 nachmittags um 5 Uhr im
Saale Kröll statt. Thema dieses Elternabends: "Aus der Jugendzeit."
"Klassische Musikstücke wurden vorgetragen: Klavier; Violine - Cello.
Gemeinsame Gesänge: "Goldener Kindertage denke ich immerzu" und "Schön
ist die Jugend" waren die erste Einstimmung. Die Kinder entledigten
sich ihrer Aufgabe in "Lustiges Volk" - frohes Spiel in Wort und Lied;
ferner in Zwiegesprächen - "Puppenmutter" und "Was Hans und Grete
werden wollen" wohl so gut, daß allgemein gewünscht wurde, die
Darbietung noch einmal zu machen, was am 8.11. abends 8 Uhr in
gleicher Sache geschah." (evangelische Chronik)
Der Lehrer Friedrich Klein, der von 1922 bis 1927 die evangelische
Schule führte, schrieb ganze 2 Seiten für seine 5 Jahre. Eintragungen
für die Schuljahre 1924-1927 fehlen völlig.
Die Aufzeichnungen des Lehrers Jakob Klein ab dem Schuljahr 1927
zeigen auch weniger die schulischen Probleme, sondern mehr die
politische Entwicklung: Gemeinderatswahlen, Befreiung des Rheinlandes
wurden von diesem Lehrer, der den nationalsozialistischen Idealen
verhaftet war, notiert.
Insofern wird der Zeitgeist der Weimarer Republik, der unauffällige
Übergang in die Zeit des Dritten Reiches auch hier in der Schule
faßbar trotz der sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten bei den
jeweiligen Chronisten.
Not und Elend, revolutionäre Ereignisse, Wahlen, Besatzung durch die
Amerikaner prägten die ersten Jahre der Weimarer Republik.
In der Schule spiegeln sich Kriegsende und die revolutionäre Zeit Ende
1918 bis zum Anfang 1919 im Schulausfall wegen Kohlemangel oder
Einquartierungen der amerikanischen Besatzungsmacht. Revolutionäre
Gegengewalten reduzierten sich in Pfaffendorf auf Plünderungen und
Aufmärsche, auch wenn Lehrer Maurer wie allgegenwärtig von Revolution
spricht (Chronik, Schuljahr 1918):
"Am 8. Nov zogen kleine Trupps von Soldaten u. Zivilisten mit roten
Fahnen durch die Straßen der Stadt Koblenz und öffneten die
Gefängnisse in der Fischelstraße und Karmeliterstraße. Es bildete sich
ein Soldatenrat, der für Ruhe und Ordnung sorgte. Unsere Truppen kamen
jetzt aus dem Felde zurück. Am Samstag, dem 7. Dezember zogen die
letzten deutschen Truppen über den Rhein und am 14. Dezember rückten
die Amerikaner ein, die Koblenz und die ganze Umgegend besetzten.
Bei der Revolution wurden unsere Läden geplündert, besonders am
Rheinwerft das Lager von Erzleben. 6 Mill. Zigarren und Zigaretten
wurden gestohlen. Montag den 11. November wurden die
Waffenstillstandsbedingungen angenommen. Der Kaiser entsagte dem Thron
und reiste nach Holland."
Die Einzelheiten der Revolution sind hier sehr persönlich aus der
Sicht von Hauptlehrer Maurer dargestellt. Näheres und
Unterschiedliches findet sich in der Darstellung Golleckis in der
Stadtgeschichte von Koblenz, Bd. 2.
Insgesamt findet der Leser in der Chronik der evangelischen Schule nur
weniges von den zeitgeschichtlichen Ereignissen der ersten Jahre der
Weimarer Republik. Die Atmosphäre dieser Zeit findet nur wenig
Widerhall. Erst in Verbindung mit der katholischen Chronik wird
deutlich, welche Schwierigkeiten die Lehrer haben, sich in diese neue
Zeit einzufinden.
Die Vereidigung der Lehrer auf die neue Verfassung findet sich nur in
der katholischen Chronik, ebenso wie der Hinweis auf den alljährlich
wiederkehrenden Verfassungstag am 11. August. Der Tod Eberts, die Wahl
Hindenburgs zum Reichspräsidenten bleiben unerwähnt in der
evangelischen Chronik.
Nur auf die Bedeutung der Ruhrbesetzung am 23. Januar 1923 sollten die
Kinder hingewiesen werden. Auch findet die Ausweisung einiger Familien
durch die Besatzungsmächte 1923/24 Erwähnung durch den neuen
evangelischen Lehrer Herrn Friedrich Klein. Dieser scheint aber
insgesamt an dieser Schule nicht sehr interessiert gewesen zu sein.
Seine Aufzeichnungen sind spärlich, die Jahre 25 und 26 fehlen ganz.
1927 ging er nach Bonn und machte seinem Nachfolger, Herrn Hauptlehrer
Jakob Klein, Platz. Die politischen Vorstellungen dieses Lehrers
werden deutlich in der Beschreibung der Feiern anläßlich der Befreiung
des Rheinlandes.
"Wir sind frei! war vom 30.11. zum 1. Dezember (1929, erg. Wegner) in
mitternächtlicher Stunde die Parole. Pfaffendorf hatte seine
Befreiungsfeier unter Teilnahme sämtlicher Vereine im Fackelzuge auf
der Hafenmole gehalten."
Die staatliche Feier zur Befreiung des Rheinlandes im Sommer 1930 gibt
Lehrer Klein ganz ausführlich wieder:
"Nachdem auch die 3. Zone zum 30.6.1930 von den Besatzungstruppen
geräumt war; fand die staatliche Befreiungsfeier statt. Der
Reichspräsident kam am 22.7. mittags 12 Uhr mit dem Dampfer
"Hindenburg" in Koblenz an, von dem die offizielle Feier ihren Anfang
nahm.
Für den Landkreis war eine besondere Feier auf dem Ehrenbreitstein in
Aussicht genommen. Die Schulkinder beteiligten sich an der
Spalierbildung und einige Kinder der Oberstufe am Massenchor; der ein
Rheinlied auf dem Ehrenbreitstein sang.
Veteranen und Vertreter von Vereinen waren anwesend. Erstere wurden
vom Reichspräsidenten besonders begrüßt. Die Veranstaltungen zogen
Zehntausende nach Koblenz. Das Feuerwerk und die Beleuchtung des
Ehrenbreitstein waren großartig. Der Reichspräsident hatte sich schon
zur Ruhe im Salonwagen auf dem Bahnhof begeben, als ein schrecklicher
Abschluß folgen sollte.
39 Menschen jeden Alters und Geschlechtes haben ihren Tod in der
Mosel, im Bauhafen der Rheinstrombauverwaltung infolge Überlastung des
Fußgängersteges über dem Eingange zum Bauhafen gefunden. Die Brücke
stürzte um, ca. 150 Menschen fielen ins Wasser; wovon 39 ertranken."
Die nationale Begeisterung des Lehrers setzte sich ohne Problem fort
in der Begeisterung für den Nationalsozialismus. Stolz sprach er von
der Gründung des Gau Koblenz im Juni 1931 in Pfaffendorf und der Wahl
des Bezirksleiters Simon zum Gauleiter. "Am 21. April 1932 sprach
Adolf Hitler in einer Großkundgebung zur Reichspräsidentenwahl auf dem
Stadion Oberwerth. Die Schikanen nützen nichts. Es kommen immer mehr
Anhänger."
Auch die wirtschaftliche Not dieser Jahre zeigt sich in und zwischen
den Zeilen. Doch Hilfe wurde auch hier von Adolf Hitler erwartet: "Es
sieht so aus, als ob bald Adolf Hitler zum Reichskanzler berufen wird.
Elend überall...."
Und dann tritt das für ihn offensichtlich erlösende Ereignis ein:
"Endlich Sieg! Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler vom
Reichspräsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler berufen. 21.
Februar (falsches Datum eingesetzt: 21. März! Wegner) In der
Garnisonskirche zu Potsdam ist die Verkündigung des neuen Reiches.
Die Wahlen am 5. und 12. März 1933 sollten allen deutschfühlenden
Staatsbürgern zeigen, wohin der Weg geht. Der Aufbau bringt es mit
sich, daß der Beamtenkörper "gesäubert" werden muß. Auch für die
Gleichschaltung des Volksschulwesens im Regierungsbezirk Koblenz wurde
ein Dreierausschuß vom Gauleiter berufen..."
Lehrer Klein stieg rasch auf bis zum Vertreter des Kreisschulrates,
wurde dann aber aus ausdrücklich nicht genannten Gründen seiner Stelle
enthoben.
Seiner Begeisterung für die nationalsozialistische Sache tat dieses
aber keinen Abbruch. Er bemängelte die fehlende Kraft in der Bewegung
in Pfaffendorf, kritisierte die "Kanzelpredigten des kath. Pfarrers",
hob aber ausdrücklich das Vorhandensein einer Ortsgruppe der Deutschen
Christen hervor. "Glücklicherweise gehört Pfarrer Weinmann auch dazu."
Die nächsten Jahre des nationalsozialistischen Regimes finden in der
Chronik keinerlei Erwähnung. Sie beendet diesen Zeitabschnitt mit der
Erwähnung der Eingemeindung der Orte Pfaffendorf' Horchheim,
Ehrenbreitstein, Neudorf, Niederberg und Metternich nach Koblenz am
1.7.1937. Ein halbes Jahr später, am 18.11.1937, kam es zur Einführung
der Gemeinschaftsschule in Koblenz.
"Damit hat die evangelische Volksschule aufgehört zu bestehen."
|
3.2.3. Die Nachkriegszeit bis 1968/69 (Asterstein und Pfaffendorf)
Der Wunsch der evangelischen Bürger nach
einer zentralen evangelischen Schule auf der rechten Rheinseite
erfüllte sich nicht. Heftige Diskussionen und bösen Streit gab es in
den 60er Jahren um die Einführung der Simultanschule, die aber dann
doch von dem Koblenzer Oberbürgermeister durchgesetzt wurde.
Diese Nachkriegszeit der evangelischen Schulen in der evangelischen
Gemeinde Pfaffendorf soll hier auch am Beispiel der Schule auf dem
Asterstein und in Pfaffendorf illustriert werden.
Am 14./15. Juli 1946 wurde eine Volksabstimmung gemäß einer Verfügung
des Regierungspräsidenten von Koblenz (5. Juli 1946) über den Status
der Volksschulen als Bekenntnis- oder Simultanschule durchgeführt. Mit
überwältigender Mehrheit stimmten die Koblenzer für die
Wiedereinführung der Konfessionsschule. Die Gründung der evangelischen
Schule auf dem Asterstein war verursacht durch Drohungen und Streiks
der Eltern, die ihre Kinder nicht mehr den weiten Weg nach Pfaffendorf
ins Tal machen lassen wollten.
Daher begann die erste evangelische Schule als Zweigschule der
evangelischen Volksschule Pfaffendorf am 1. September 1948 in den
Räumen der ehemaligen Goebenkaserne, die als erste rechtsrheinische
Kaserne unter Adolf Hitler gebaut worden war. Wie auch unten in
Pfaffendorf war es eine einklassige Schule mit den Jahrgängen 1 bis 4.
Die beiden oberen Jahrgänge (5 u. 6 sowie 7 u. 8) besuchten weiterhin
die Pfaffendorfer Volksschule. In demselben Gebäude waren die
katholische Volksschule, der katholische Kindergarten und
Privatwohnungen untergebracht. Die Schulverhältnisse waren
katastrophal wie überall in der Nachkriegszeit, aber Eigenintitiative
und staatliche Anstrengungen verbesserten die Situation sehr schnell.
Laut Verfügung der Bezirksregierung vom 10. März 1950 wurde eine
selbständige Volksschule Koblenz-Asterstein eingerichtet, die mit dem
kommenden Schuljahr ihren Dienst aufnahm. 57 Schülerinnen und Schüler
umfaßte diese Zwergschule, die 1952 zweiklassig, 1957 mit 120
Schülerinnen und Schülern dreiklassig wurde, weil in diesem Jahr auch
evangelische Schülerinnen und Schüler der "Cité" aufgenommen wurden.
Diese Cité des Cadres war von den Franzosen für ihre Truppen und deren
Angehörige gebaut worden, ebenso wie die Schule an der
Goerdelerstraße. Am 8. Januar 1958 konnten Teile der katholischen und
evangelischen Schule aus der Goebensiedlung in die Gebäude der
früheren französischen Schule ziehen. Die katholische Schule war
1949/50 in der Goebensiedlung errichtet worden und in verschiedenen
Gebäuden untergebracht.
220 Schülerinnen und Schüler in 6 Klassen umfaßte zu dem Zeitpunkt die
evangelische Schule, in erster Linie Kinder der Bundeswehrsoldaten und
der ersten Freiwilligen im Heer in Andernach. Zunächst zog nur eine
Jahrgangsstufe in die Cité-Schule. Die Jahrgänge 1-3, 4-8 blieben
zunächst noch auf dem Asterstein. Schon ab 15. April wurden die
Schülerinnen und Schüler der Stufen 4-8 mit Bussen auf die
Pfaffendorfer Höhe gebracht; nur die Jahrgänge 1-3 blieben noch in der
Goebensiedlung. Durch die Bebauung des Wohngebietes Altenbergerhof und
der Horchheimer Höhe wuchs die Schülerzahl in den 60er Jahren auf etwa
400.
Am 1.8.1969 kam es zur grundlegenden Neugestaltung des Schulwesens in
simultane Grund- und Hauptschulen. Die evangelischen Klassen auf dem
Asterstein, Pfaffendorf und auf der Horchheimer Höhe wurden zu
simultanen Grundschulen. Auf der rechten Rheinseite gab es zunächst
zwei simultane Hauptschulen: Die Hauptschule 6 (laut Ratsbeschluß vom
9. Juli 1970 Albert-Schweitzer Hauptschule) mit dem Einzugsgebiet
Asterstein einschließlich Siedlung am Unteren Asterstein und
Kolonnenweg ab Nr.14, Pfaffendorf und Pfaffendorfer Höhe, Horchheim
und Horchheimer Höhe; Schulleiter war Herr Otto Nix; sowie die
Hauptschule 7 in Ehrenbreitstein mit dem Einzugsgebiet
Ehrenbreitstein, Niederberg, Arenberg; Schulleiterin war Frau Niehl.
Vorausgegangen war neben heftigen Auseinandersetzungen eine Abstimmung
der Eltern. Die Beteiligung an dieser Abstimmung war trotz der in der
Öffentlichkeit erregt geführten Debatte nur sehr gering (29,9 %) im
Vergleich zu der sehr hohen Abstimmungsbeteiligung 1946 (84,35%).
Am 1. April 1976 wurden diese beiden Hauptschulen in einem neuen
Gebäude auf dem Asterstein vereint. Herrn Nix löst 1993 Herr Gerhards
ab, der bis heute die Albert-Schweitzer Hauptschule leitet.
Die Zusammenarbeit zwischen den Konfessionsschulen war stark abhängig
vom gesellschaftlichen und politischen Umfeld. In der neu gegründeten
evangelischen Schule auf dem Asterstein kam es schon sehr früh zur
freundlichen Zusammenarbeit zwischen den Kolleginnen und Kollegen.
Dabei hing der Grad der Gemeinsamkeit doch sehr stark von der
Persönlichkeit des jeweiligen Schulleiters bzw. der Schulleiterin ab.
Die Zusammenarbeit der evangelischen Schule mit der evangelischen
Gemeinde gestaltete sich gut, weil Herr Nix als Schulleiter von 1968
bis 1986 dem Presbyterium, von 1968 bis 1984 auch der Kreissynode
angehörte. Da die Pastoren keinen Schulunterricht erteilen durften,
wurden vom Synodalbeauftragten für Religion regelmäßig
Fortbildungsveranstaltungen für die evangelischen Lehrer und
Lehrerinnen in der Superintendentur in der Mainzer Straße
durchgeführt. Die "Vocatio" wurde dann in Meisenheim nach einem
14tägigen Fortbildungsseminar übergeben.
Auf dem Asterstein kam es schon bald zu gemeinsamen Lehrerausflügen
und auch zu gemeinsamen Abschlußfahrten der evangelischen und
katholischen Schulen.
Die konfessionelle Zusammenarbeit in Ehrenbreitstein und Pfaffendorf
blieb anfangs eher förmlich. Aber in Pfaffendorf kam es z.B. unter dem
Rektor Breitbach ab 1958 schon zu gemeinsamen Konferenzen, Lehrmittel
wurden gemeinsam besprochen. Die Entwicklung in Pfaffendorf verlief
insgesamt ähnlich wie in den anderen Schulen, wie es aus der
evangelischen Chronik zu entnehmen ist. Über die Anfänge der
Nachkriegssituation erfahren wir mehr Einzelheiten aus dem
katholischen Tagebuch. Nur die letzten Kriegsmonate werden
rückblickend noch einmal in der evangelischen Schule eingeblendet:
Unterrichtsausfall, furchtbare Luftangriffe, viele Tage im Bunker und
im Horchheimer Tunnel.
Das Kriegsende brachte auch für die evangelische Gemeinde Pfaffendorf
die Wiedereinführung der Konfessionsschulen. Als am 1. Oktober die
Schule wieder begann, wurden die evangelischen Kinder wegen
Lehrermangel zunächst in die katholische Schule geschickt.
Lehrer Gans übernahm die evangelische Schule, die ab 1947 wieder
zweiklassig arbeitete, 1948/49 sogar dreiklassig, da die beiden oberen
Jahrgänge nach Pfaffendorf eingeschult wurden. 1954 löste Lehrer
Schlarb Herrn Gans ab. Er beendete die Zeit der evangelischen
Grundschule Pfaffendorf mit dem Eintrag in der Chronik: "Mit dem
1.8.1969 besteht nun eine Simultan-Grundschule in Koblenz Pfaffendorf
mit 4 Lehrkräften und 4 Klassen."
|
4.
Zusammenfassung Kaum
ein Thema entfacht heute soviel Diskussion wie Schule, Schulreform
etc.
Die vorliegende Arbeit macht deutlich, daß der über diese Thematik
immer wieder neu entbrennende Streit hinweist auf den engen
Zusammenhang von Schule, Gesellschaft und Politik. Es geht bei diesen
Diskussionen über Schule auch immer um politische Grundsatzfragen,
denn diese spiegeln sich in der Arbeit und dem Alltag in jeder Schule
getreulich wieder.
Wir beobachten hier in Pfaffendorf die starken Gegensätze der
Konfessionen bis in die Nachkriegszeit hinein, die Gebundenheit der
evangelischen Kirche an Thron und Altar, aber auch die besondere
soziale Stellung der evangelischen Bevölkerung, die zunächst einer
deutlich höheren sozialen Schicht zuzurechnen ist. Der Lehrer ist in
der Kaiserzeit noch ganz anders eingebunden in die staatliche
Verpflichtung. Politische Ereignisse werden mit Symbolen und Ritualen
von den Schulen, insbesondere hier auch von der evangelischen Schule,
mitgetragen und gestaltet. Dies gilt für die gesamte Zeit bis zum
Zweiten Weltkrieg. Die Nachkriegszeit ist dieser Symbolik und den
Ritualen gegenüber aus verständlichen Gründen sehr mißtrauisch. Die
Schulchroniken spiegeln auch diese Entwicklung realistisch wieder.
Die Schwierigkeit der Lehrer, sich an die neue Zeit nach dem Ersten
Weltkrieg anzupassen, ist durch die Diskussionen über das Dritte Reich
fast untergegangen, kann aber mit solchen regionalen Studien wieder
hervorgeholt werden. Damit kann die Frage nach der Entstehung des
Nationalsozialismus noch einmal am konkreten Beispiel mitverfolgt
werden.
Gerade die "im Bekenntnis wurzelnde Persönlichkeit" (Schüler, S.82)
als Bedingung für eine funktionierende Bekenntnisschule haben wir mit
dem Hauptlehrer Maurer vor uns. Nach dem Zweiten Weltkrieg die
besonderen Aufgaben der Konfessionsschule hervorzuheben und die Rolle
einer solchen beharrenden protestantischen Lehrerpersönlichkeit
einzufordern, wurde auch schon damals nach dem Zweiten Weltkrieg
problematisiert (Schüler, 5. 82f).
Die Entwicklung der Schule Pfaffendorf zeigt uns die heute
unerträglich scheinenden Verhältnisse, die man sich mit der
Konfessionsschule eingehandelt hatte. Sie sind zu erklären mit den
politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der damaligen Zeit.
Wie weitsichtig muten uns die Diskussionen über die Simultanschule im
letzten Jahrhundert an. Doch gerade der Alltag in der Pfaffendorfer
Schule macht deutlich, wie schwer es für die damaligen Menschen sein
mußte, solche neuen Ideen umzusetzen - und zwar in beiden
Konfessionen.
Die schulischen Probleme verschärften sich durch die
Konfessionalisierung, heute sehen wir viele Probleme anders. Hüten wir
uns aber vor dem vorschnellen Urteil, früher sei alles besser oder
schlechter gewesen. Wie sehr die Jugend und Schule nicht eines
moralisch wertenden Urteils, sondern der fördernden Unterstützung
durch Lehrer, Eltern und Regierung bedarf, muß heute in besonderer
Weise eingefordert werden.
Zum Schluß sei Herrn Rektor a.D. Otto Nix für die ausführliche
Information und der Schulleiterin der Grundschule Pfaffendorf, Frau
Gisela Höher, für die Bereitstellung des Materials herzlich gedankt. |