1899 - 1999
Festschrift der Evangelischen Kirchengemeinde Koblenz-Pfaffendorf aus Anlaß des 100. Jahrestages ihrer Gründung zum 1. Oktober 1899

 

Die evangelischen Schulen in der Evangelischen Kirchengemeinde Pfaffendorf
von Sigrid Wegner

 
3.2.2. Weimarer Republik und Nationalsozialismus (Pfaffendorf)

Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte einschneidende Veränderungen im schulischen Bereich mit sich. Der neue Geist, der jetzt deutlich zu spüren war, zeigte sich zum Beispiel deutlich in der Bezeichnung von kirchlichen Handlungen im Unterricht als "Störungen" (GA 34-0, 18.Dez.1918).
Besonders einschneidend war die Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht.
"1918 Nov.27: Mit dem Tag der Verkündigung verordnen wir wie folgt:
1. Die geistliche Ortsschulaufsicht in Preussen ist von heute ah aufgehoben.
2. Die bisherigen Inhaber bleiben solange im Amt, bis ihre Befugnisse durch die Kreisschulinspektoren übernommen werden.
3. Die Übernahme ist unverzüglich in die Wege zu leiten und muß am 31. Dezember abgeschlossen sein.
Diese Verordnung geht an alle Regierungen; an die Reg. zu Coblenz, Abt. II am 6.Dez.1918,
An die Herren Kreisschulinspektoren
Abschrift zur Mitteilung an die mit der Ortsschulaufsicht beauftragten Geistlichen unter dem Ausdruck unseres wärmsten und herzlichen Dankes für die zum Segen der Schule und des Volkes in hingebender Treue geleistete erfolgreiche Arbeit. Die Mitgliedschaft der Geistlichen in den Schulvertretungen (...) wurde hierdurch nicht berührt.
Die Verhandlungen wegen der Übernahme der Befugnis der geistlichen Ortsschulinspektoren sind so einzurichten, daß die Kreisschulinspektoren sie vom 1. Januar 1919 ab ausüben. (LHA Koblenz Abt. 441, Nr.26151.)."
Naturgemäß kam es zu harten Auseinandersetzungen zwischen der preußischen Regierung und der lokalen Schulaufsicht: Der preußische Kultusminister Hoffmann wollte die geistliche Schulaufsicht ganz beenden und ordnete daher an, daß es nötig sei,
"jeden Zwang zu religiösen Übungen und Äußerungen, auch zur stillschweigenden Beteiligung an ihnen zu beseitigen. Schon längst fordert das öffentliche Gewissen die Beseitigung dieses Restes eines vergangenen Zeitalters, des Zeitalters der Ketzerverfolgungen und Religionskriege, des Zeitalters, wo die Staatsgewalt die heilige Freiheit der Seele mißachtend, mit äußeren Mitteln glaubte, einen Glauben erzwingen, erhalten und verbreiten zu können. ...
Es ist unzulässig, im Religionsunterricht der Schule häusliche Schularbeiten, insbesondere das Auswendiglernen von Katechismusstücken, Bibelsprüchen, Geschichten und Kirchenliedern aufzugeben.
Im übrigen betonen wir nochmals, daß unsere Verfügung nur den Schulunterricht betrifft, und daß dem kirchlichen Unterricht mit freiwilliger Beteiligung keine Beschränkung auferlegt wurden." (LHA Koblenz Abt. 441, Nr.26312,29. Nov.1918)
Formfehler in der Verfügung und der starke Protest des Zentrums führten dann zu einem Kompromiß, der am 11. August 1919 in der Weimarer Verfassung verankert wurde. (Art. 135ff., insbesondere Art. 146: "Innerhalb der Gemeinden sind indes auf Antrag von Erziehungsberechtigten Volksschulen ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter Schulbetrieb.... nicht beeinträchtigt wurde.")
Auch die evangelischen Pfarrer der Synode Koblenz hatten am 4. Januar 1919 einen harschen Protest an die königliche Regierung aufgesetzt:
"Die heute hier versammelten Pfarrer ... haben einmütig beschlossen:
1. In der Frage der Trennung von Staat und Kirche auf dem Gebiet der Schule weisen wir die willkürlichen, diktatorischen Verfügungen der vorläufigen Regierung mit aller Schärfe zurück. Von der Nationalversammlung fordern wir, daß unter allen Umständen die Würde, die Rechte, die Freiheit und die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der evangelischen Kirche gewahrt werden.
2. Für die Schule fordern wir die Beibehaltung des bisherigen lehrplanmäßigen konfessionellen Religionsunterrichtes...."
Zwar wurden die Geistlichen endgültig von der Schulaufsicht ausgeschlossen, aber Religionsunterricht blieb ordentliches Unterrichtsfach; ebenso blieben die Konfessionsschulen erhalten.
Neu war die Einführung von Schulelternbeiräten (Erlaß vom 5.Nov.1919), ebenso die Vorschrift, daß alle Kinder eine vierjährige Grundschule absolvieren müssen. (28. April 1920).
Diese neue Schulaufsicht hatte zur Folge, daß sich die Quellenlage sehr verändert. Aus dem Gemeindearchiv ist nur noch wenig von ökumenischen, pädagogischen und anderen Problemen der evangelischen Schulen in der Gemeinde Pfaffendorf zu finden.
Stereotyp findet sich in den statistischen Bögen über die Situation der evangelischen Kirchengemeinde Pfaffendorf jedes Jahr die fast gleiche Formulierung: "Ev. Schulen in Pfaffendorf drei evangelische Volksschulen: Je eine in Ehrenbreitstein, Pfaffendorf und Horchheim; Existenz nicht gefährdet; Stellung der Lehrer zur Kirche ist freundlich; Lehrer in Ehrenbreitstein ist Organist". (GA 03-4, Jahresbericht 1920ff.)
1896, nach der Umwandlung der zweiklassigen Schule in Pfaffendorf in eine einklassige, war die zweite Lehrerstelle nicht aufgelöst worden, sondern sie ruhte nur. Die Horchheimer Schüler sollten in die Schule von Pfaffendorf gehen. Die Zunahme der evangelischen Bevölkerung in Horchheim führte zur Gründung einer evangelischen Schule in der Horchheimer Schule am 1. Juni 1921 mit ihrem ersten Hauptlehrer Karl Cloos. 1924 gab es einen Schulelternbeirat aus 5 Mitgliedern (s. GA 34-2;22. Okt.1924)
Die Schülerzahl war meist um die 30. Ich habe mich mit der Problematik dieser evangelischen Schule aus oben schon erwähnten Gründen nicht näher befaßt.
In Pfaffendorf weisen auch für die Weimarer Republik die beiden Hauptquellen, die evangelische Chronik und das katholische Tagebuch, deutlich weniger Aufzeichnungen auf als in der vorherigen Phase, ganz wenige existieren nur aus der Mitte der zwanziger Jahre. Diese Reduktion ist sicher auch auf die schwierigen Verhältnisse in dieser Zeit zurückzuführen. Auch konnte Lehrer Maurer nach dem Kriegsende mehrmals über Monate keinen Unterricht erteilen, wohl nicht nur aus reinen Krankheitsgründen, wegen Grippe, sondern er sah sich wiederholt bösen Angriffen von seiten der Elternschaft ausgesetzt. Er hatte sicher den Wechsel vom Kaisertum zur Demokratie nur schwer verkraftet. Krank und resigniert schied er aus dem aktiven Dienst:
"Am 1. April1922 trat Lehrer Maurer nach 45-jähriger Dienstzeit in Pfaffendorf in den wohlverdienten Ruhestand. Herr Schulrat Hildersch überreichte ein Schreiben der Regierung mit dem Dank für seine Arbeit und den besten Wünschen für einen freundlichen Ruhestand."
Daß die Pensionierung dieses langjährigen Hauptlehrers in dem katholischen Tagebuch mit keinem Wort erwähnt wurde, beleuchtet deutlich das Verhältnis zwischen den beiden Schulen in demselben Gebäude.
Interessant aber erscheint, daß es jetzt in der Weimarer Republik ohne weiteres möglich war, daß die evangelische Schulklasse vom katholischen Lehrer Schäfer mitverwaltet wurde, ehe im Februar 1922 Lehrer Klütz aus Neuwied die evangelische Schule übernahm. Ebenso vertrat vom 24.10. bis 13.11.1923 der katholische Lehrer Wagner den erkrankten Lehrer Klein, eine Aufzeichnung, die sich allerdings nur in dem katholischen Tagebuch findet.
Durchaus Anfänge einer neuen Entwicklung im Verhältnis zwischen den beiden Konfessionen können wir hier ausmachen, aber wohl eher auf der Verwaltungsebene als auf der direkten schulischen Ebene des Zusammenlebens.
Die schulische Entwicklung in der Weimarer Republik zeigt insgesamt "eine pädagogisch sehr fruchtbare Zeit..." (Schüler, S.54). Die Unterrichtsprinzipien der Arbeits- und Heimatschule wurden eingeführt, der ganzheitliche und heimatverbundene Unterricht stand in vorderster Linie. Ein Blick in die Richtlinien und Lehrpläne (LHA Koblenz, Abt. 441, Nr.26151) veranschaulicht die neue Zeit: "Im gesamten Unterricht der Grundschule ist der Grundsatz zur Durchführung zu bringen, daß nicht Wissensstoffe und Fertigkeiten bloß äußerlich angeeignet, sondern möglichst alles, was die Kinder lernen, von ihnen innerlich erlebt und selbsttätig erworben wird. Deshalb hat aller Unterricht die Beziehungen zur heimatlichen Umwelt der Kinder sorgsam zu pflegen. Die Selbstbetätigung der Schüler im Beobachten von Natur- und Lebensvorgängen, namentlich auf Lehrspaziergängen und Wanderungen, ferner in der Ausübung von Handtätigkeiten ist ausgiebig für die Zwecke des Unterrichts nutzbar zu machen.
Die Lehrgegenstände der Grundschule sind Religion, Heimatkunde, deutsche Sprache, Rechnen, Zeichnen, Gesang, Turnen und für die Mädchen des dritten und vierten Schuljahres Nadelarbeit. Für den Anfangsunterricht ist eine strenge Scheidung der Lehrfächer nach bestimmten Stunden nicht vorgeschrieben, statt ihrer vielmehr ein Gesamtunterricht zuzulassen, in dem die verschiedenen Unterrichtsgegenstände zwanglos abwechseln. Im Mittelpunkte dieses Gesamtunterrichts steht der heimatkundliche Anschauungsunterricht." (LHA Koblenz, Abt. 441, Nr.26151). Vergleicht man damit den Stundenplan für die evangelische Volksschule aus dem letzten Jahrhundert, so wird der ganze pädagogische Neuanfang in der Weimarer Republik klar. Deutlich wurde das in unseren Quellen und Akten aber nur indirekt. Die Aufzeichnungen der evangelischen Schule werden dürftig, bedingt sicher auch durch die Krankheit des Lehrer Maurer. Aber in den Aufzeichnungen der katholischen Schule wurde die neue Richtung sehr deutlich spürbar: Die Ausflüge in die nähere Umgebung nahmen einen großen Teil des Unterrichts ein.

Die neue Staatsform Demokratie spiegelte sich in den neuen Beteiligungsmöglichkeiten der Eltern:
Elternbeiräte wurden gewählt - allerdings oft unter mangelnder Beteiligung. Dreimal mußte zur Wahl des Elternbeirates eingeladen werden - wegen mangelnder Beteiligung. Elternabende werden veranstaltet.
"Am 2.12.1928 fand der erste Elternabend der evang. Volksschule im vollbesetzten Saale von Kröll statt, bestehend aus instrumentalen, gesanglichen und theatralischen Darbietungen. Von der Firma Bürger in Koblenz war ein Konzertflügel gestellt worden, auf dem Konzertmeister Müller mit Frl. Heinrich (Violine) eine Schubert-Sonatine vortrug. Darauf sangen die Schulkinder: "Leise rieselt der Schnee" und "Süßer die Glocken nie klingen". Zwei Weihnachtsmärchen "Schneeweißchen und Rosenrot" und "Rübezahl und Holzhauer" wurden von Eltern und Kindern der Schule aufgeführt. Alle Darbietungen dürfen als gelungen bezeichnet werden. Voller Befriedigung verließen die Zuhörer gegen 9 Uhr den Saal. Der Beginn war auf 4 Uhr festgesetzt."
Ein weiterer Elternabend fand am 2.11.1930 nachmittags um 5 Uhr im Saale Kröll statt. Thema dieses Elternabends: "Aus der Jugendzeit."
"Klassische Musikstücke wurden vorgetragen: Klavier; Violine - Cello. Gemeinsame Gesänge: "Goldener Kindertage denke ich immerzu" und "Schön ist die Jugend" waren die erste Einstimmung. Die Kinder entledigten sich ihrer Aufgabe in "Lustiges Volk" - frohes Spiel in Wort und Lied; ferner in Zwiegesprächen - "Puppenmutter" und "Was Hans und Grete werden wollen" wohl so gut, daß allgemein gewünscht wurde, die Darbietung noch einmal zu machen, was am 8.11. abends 8 Uhr in gleicher Sache geschah." (evangelische Chronik)
Der Lehrer Friedrich Klein, der von 1922 bis 1927 die evangelische Schule führte, schrieb ganze 2 Seiten für seine 5 Jahre. Eintragungen für die Schuljahre 1924-1927 fehlen völlig.
Die Aufzeichnungen des Lehrers Jakob Klein ab dem Schuljahr 1927 zeigen auch weniger die schulischen Probleme, sondern mehr die politische Entwicklung: Gemeinderatswahlen, Befreiung des Rheinlandes wurden von diesem Lehrer, der den nationalsozialistischen Idealen verhaftet war, notiert.
Insofern wird der Zeitgeist der Weimarer Republik, der unauffällige Übergang in die Zeit des Dritten Reiches auch hier in der Schule faßbar trotz der sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten bei den jeweiligen Chronisten.
Not und Elend, revolutionäre Ereignisse, Wahlen, Besatzung durch die Amerikaner prägten die ersten Jahre der Weimarer Republik.
In der Schule spiegeln sich Kriegsende und die revolutionäre Zeit Ende 1918 bis zum Anfang 1919 im Schulausfall wegen Kohlemangel oder Einquartierungen der amerikanischen Besatzungsmacht. Revolutionäre Gegengewalten reduzierten sich in Pfaffendorf auf Plünderungen und Aufmärsche, auch wenn Lehrer Maurer wie allgegenwärtig von Revolution spricht (Chronik, Schuljahr 1918):
"Am 8. Nov zogen kleine Trupps von Soldaten u. Zivilisten mit roten Fahnen durch die Straßen der Stadt Koblenz und öffneten die Gefängnisse in der Fischelstraße und Karmeliterstraße. Es bildete sich ein Soldatenrat, der für Ruhe und Ordnung sorgte. Unsere Truppen kamen jetzt aus dem Felde zurück. Am Samstag, dem 7. Dezember zogen die letzten deutschen Truppen über den Rhein und am 14. Dezember rückten die Amerikaner ein, die Koblenz und die ganze Umgegend besetzten.
Bei der Revolution wurden unsere Läden geplündert, besonders am Rheinwerft das Lager von Erzleben. 6 Mill. Zigarren und Zigaretten wurden gestohlen. Montag den 11. November wurden die Waffenstillstandsbedingungen angenommen. Der Kaiser entsagte dem Thron und reiste nach Holland."
Die Einzelheiten der Revolution sind hier sehr persönlich aus der Sicht von Hauptlehrer Maurer dargestellt. Näheres und Unterschiedliches findet sich in der Darstellung Golleckis in der Stadtgeschichte von Koblenz, Bd. 2.
Insgesamt findet der Leser in der Chronik der evangelischen Schule nur weniges von den zeitgeschichtlichen Ereignissen der ersten Jahre der Weimarer Republik. Die Atmosphäre dieser Zeit findet nur wenig Widerhall. Erst in Verbindung mit der katholischen Chronik wird deutlich, welche Schwierigkeiten die Lehrer haben, sich in diese neue Zeit einzufinden.
Die Vereidigung der Lehrer auf die neue Verfassung findet sich nur in der katholischen Chronik, ebenso wie der Hinweis auf den alljährlich wiederkehrenden Verfassungstag am 11. August. Der Tod Eberts, die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten bleiben unerwähnt in der evangelischen Chronik.
Nur auf die Bedeutung der Ruhrbesetzung am 23. Januar 1923 sollten die Kinder hingewiesen werden. Auch findet die Ausweisung einiger Familien durch die Besatzungsmächte 1923/24 Erwähnung durch den neuen evangelischen Lehrer Herrn Friedrich Klein. Dieser scheint aber insgesamt an dieser Schule nicht sehr interessiert gewesen zu sein. Seine Aufzeichnungen sind spärlich, die Jahre 25 und 26 fehlen ganz. 1927 ging er nach Bonn und machte seinem Nachfolger, Herrn Hauptlehrer Jakob Klein, Platz. Die politischen Vorstellungen dieses Lehrers werden deutlich in der Beschreibung der Feiern anläßlich der Befreiung des Rheinlandes.
"Wir sind frei! war vom 30.11. zum 1. Dezember (1929, erg. Wegner) in mitternächtlicher Stunde die Parole. Pfaffendorf hatte seine Befreiungsfeier unter Teilnahme sämtlicher Vereine im Fackelzuge auf der Hafenmole gehalten."
Die staatliche Feier zur Befreiung des Rheinlandes im Sommer 1930 gibt Lehrer Klein ganz ausführlich wieder:
"Nachdem auch die 3. Zone zum 30.6.1930 von den Besatzungstruppen geräumt war; fand die staatliche Befreiungsfeier statt. Der Reichspräsident kam am 22.7. mittags 12 Uhr mit dem Dampfer "Hindenburg" in Koblenz an, von dem die offizielle Feier ihren Anfang nahm.
Für den Landkreis war eine besondere Feier auf dem Ehrenbreitstein in Aussicht genommen. Die Schulkinder beteiligten sich an der Spalierbildung und einige Kinder der Oberstufe am Massenchor; der ein Rheinlied auf dem Ehrenbreitstein sang.
Veteranen und Vertreter von Vereinen waren anwesend. Erstere wurden vom Reichspräsidenten besonders begrüßt. Die Veranstaltungen zogen Zehntausende nach Koblenz. Das Feuerwerk und die Beleuchtung des Ehrenbreitstein waren großartig. Der Reichspräsident hatte sich schon zur Ruhe im Salonwagen auf dem Bahnhof begeben, als ein schrecklicher Abschluß folgen sollte.
39 Menschen jeden Alters und Geschlechtes haben ihren Tod in der Mosel, im Bauhafen der Rheinstrombauverwaltung infolge Überlastung des Fußgängersteges über dem Eingange zum Bauhafen gefunden. Die Brücke stürzte um, ca. 150 Menschen fielen ins Wasser; wovon 39 ertranken."
Die nationale Begeisterung des Lehrers setzte sich ohne Problem fort in der Begeisterung für den Nationalsozialismus. Stolz sprach er von der Gründung des Gau Koblenz im Juni 1931 in Pfaffendorf und der Wahl des Bezirksleiters Simon zum Gauleiter. "Am 21. April 1932 sprach Adolf Hitler in einer Großkundgebung zur Reichspräsidentenwahl auf dem Stadion Oberwerth. Die Schikanen nützen nichts. Es kommen immer mehr Anhänger."
Auch die wirtschaftliche Not dieser Jahre zeigt sich in und zwischen den Zeilen. Doch Hilfe wurde auch hier von Adolf Hitler erwartet: "Es sieht so aus, als ob bald Adolf Hitler zum Reichskanzler berufen wird. Elend überall...."
Und dann tritt das für ihn offensichtlich erlösende Ereignis ein:
"Endlich Sieg! Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler vom Reichspräsidenten von Hindenburg zum Reichskanzler berufen. 21. Februar (falsches Datum eingesetzt: 21. März! Wegner) In der Garnisonskirche zu Potsdam ist die Verkündigung des neuen Reiches.
Die Wahlen am 5. und 12. März 1933 sollten allen deutschfühlenden Staatsbürgern zeigen, wohin der Weg geht. Der Aufbau bringt es mit sich, daß der Beamtenkörper "gesäubert" werden muß. Auch für die Gleichschaltung des Volksschulwesens im Regierungsbezirk Koblenz wurde ein Dreierausschuß vom Gauleiter berufen..."
Lehrer Klein stieg rasch auf bis zum Vertreter des Kreisschulrates, wurde dann aber aus ausdrücklich nicht genannten Gründen seiner Stelle enthoben.
Seiner Begeisterung für die nationalsozialistische Sache tat dieses aber keinen Abbruch. Er bemängelte die fehlende Kraft in der Bewegung in Pfaffendorf, kritisierte die "Kanzelpredigten des kath. Pfarrers", hob aber ausdrücklich das Vorhandensein einer Ortsgruppe der Deutschen Christen hervor. "Glücklicherweise gehört Pfarrer Weinmann auch dazu."
Die nächsten Jahre des nationalsozialistischen Regimes finden in der Chronik keinerlei Erwähnung. Sie beendet diesen Zeitabschnitt mit der Erwähnung der Eingemeindung der Orte Pfaffendorf' Horchheim, Ehrenbreitstein, Neudorf, Niederberg und Metternich nach Koblenz am 1.7.1937. Ein halbes Jahr später, am 18.11.1937, kam es zur Einführung der Gemeinschaftsschule in Koblenz.
"Damit hat die evangelische Volksschule aufgehört zu bestehen."

 

3.2.3. Die Nachkriegszeit bis 1968/69 (Asterstein und Pfaffendorf)

Der Wunsch der evangelischen Bürger nach einer zentralen evangelischen Schule auf der rechten Rheinseite erfüllte sich nicht. Heftige Diskussionen und bösen Streit gab es in den 60er Jahren um die Einführung der Simultanschule, die aber dann doch von dem Koblenzer Oberbürgermeister durchgesetzt wurde.
Diese Nachkriegszeit der evangelischen Schulen in der evangelischen Gemeinde Pfaffendorf soll hier auch am Beispiel der Schule auf dem Asterstein und in Pfaffendorf illustriert werden.
Am 14./15. Juli 1946 wurde eine Volksabstimmung gemäß einer Verfügung des Regierungspräsidenten von Koblenz (5. Juli 1946) über den Status der Volksschulen als Bekenntnis- oder Simultanschule durchgeführt. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Koblenzer für die Wiedereinführung der Konfessionsschule. Die Gründung der evangelischen Schule auf dem Asterstein war verursacht durch Drohungen und Streiks der Eltern, die ihre Kinder nicht mehr den weiten Weg nach Pfaffendorf ins Tal machen lassen wollten.
Daher begann die erste evangelische Schule als Zweigschule der evangelischen Volksschule Pfaffendorf am 1. September 1948 in den Räumen der ehemaligen Goebenkaserne, die als erste rechtsrheinische Kaserne unter Adolf Hitler gebaut worden war. Wie auch unten in Pfaffendorf war es eine einklassige Schule mit den Jahrgängen 1 bis 4. Die beiden oberen Jahrgänge (5 u. 6 sowie 7 u. 8) besuchten weiterhin die Pfaffendorfer Volksschule. In demselben Gebäude waren die katholische Volksschule, der katholische Kindergarten und Privatwohnungen untergebracht. Die Schulverhältnisse waren katastrophal wie überall in der Nachkriegszeit, aber Eigenintitiative und staatliche Anstrengungen verbesserten die Situation sehr schnell.
Laut Verfügung der Bezirksregierung vom 10. März 1950 wurde eine selbständige Volksschule Koblenz-Asterstein eingerichtet, die mit dem kommenden Schuljahr ihren Dienst aufnahm. 57 Schülerinnen und Schüler umfaßte diese Zwergschule, die 1952 zweiklassig, 1957 mit 120 Schülerinnen und Schülern dreiklassig wurde, weil in diesem Jahr auch evangelische Schülerinnen und Schüler der "Cité" aufgenommen wurden. Diese Cité des Cadres war von den Franzosen für ihre Truppen und deren Angehörige gebaut worden, ebenso wie die Schule an der Goerdelerstraße. Am 8. Januar 1958 konnten Teile der katholischen und evangelischen Schule aus der Goebensiedlung in die Gebäude der früheren französischen Schule ziehen. Die katholische Schule war 1949/50 in der Goebensiedlung errichtet worden und in verschiedenen Gebäuden untergebracht.
220 Schülerinnen und Schüler in 6 Klassen umfaßte zu dem Zeitpunkt die evangelische Schule, in erster Linie Kinder der Bundeswehrsoldaten und der ersten Freiwilligen im Heer in Andernach. Zunächst zog nur eine Jahrgangsstufe in die Cité-Schule. Die Jahrgänge 1-3, 4-8 blieben zunächst noch auf dem Asterstein. Schon ab 15. April wurden die Schülerinnen und Schüler der Stufen 4-8 mit Bussen auf die Pfaffendorfer Höhe gebracht; nur die Jahrgänge 1-3 blieben noch in der Goebensiedlung. Durch die Bebauung des Wohngebietes Altenbergerhof und der Horchheimer Höhe wuchs die Schülerzahl in den 60er Jahren auf etwa 400.
Am 1.8.1969 kam es zur grundlegenden Neugestaltung des Schulwesens in simultane Grund- und Hauptschulen. Die evangelischen Klassen auf dem Asterstein, Pfaffendorf und auf der Horchheimer Höhe wurden zu simultanen Grundschulen. Auf der rechten Rheinseite gab es zunächst zwei simultane Hauptschulen: Die Hauptschule 6 (laut Ratsbeschluß vom 9. Juli 1970 Albert-Schweitzer Hauptschule) mit dem Einzugsgebiet Asterstein einschließlich Siedlung am Unteren Asterstein und Kolonnenweg ab Nr.14, Pfaffendorf und Pfaffendorfer Höhe, Horchheim und Horchheimer Höhe; Schulleiter war Herr Otto Nix; sowie die Hauptschule 7 in Ehrenbreitstein mit dem Einzugsgebiet Ehrenbreitstein, Niederberg, Arenberg; Schulleiterin war Frau Niehl.
Vorausgegangen war neben heftigen Auseinandersetzungen eine Abstimmung der Eltern. Die Beteiligung an dieser Abstimmung war trotz der in der Öffentlichkeit erregt geführten Debatte nur sehr gering (29,9 %) im Vergleich zu der sehr hohen Abstimmungsbeteiligung 1946 (84,35%).
Am 1. April 1976 wurden diese beiden Hauptschulen in einem neuen Gebäude auf dem Asterstein vereint. Herrn Nix löst 1993 Herr Gerhards ab, der bis heute die Albert-Schweitzer Hauptschule leitet.
Die Zusammenarbeit zwischen den Konfessionsschulen war stark abhängig vom gesellschaftlichen und politischen Umfeld. In der neu gegründeten evangelischen Schule auf dem Asterstein kam es schon sehr früh zur freundlichen Zusammenarbeit zwischen den Kolleginnen und Kollegen. Dabei hing der Grad der Gemeinsamkeit doch sehr stark von der Persönlichkeit des jeweiligen Schulleiters bzw. der Schulleiterin ab.
Die Zusammenarbeit der evangelischen Schule mit der evangelischen Gemeinde gestaltete sich gut, weil Herr Nix als Schulleiter von 1968 bis 1986 dem Presbyterium, von 1968 bis 1984 auch der Kreissynode angehörte. Da die Pastoren keinen Schulunterricht erteilen durften, wurden vom Synodalbeauftragten für Religion regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen für die evangelischen Lehrer und Lehrerinnen in der Superintendentur in der Mainzer Straße durchgeführt. Die "Vocatio" wurde dann in Meisenheim nach einem 14tägigen Fortbildungsseminar übergeben.

Auf dem Asterstein kam es schon bald zu gemeinsamen Lehrerausflügen und auch zu gemeinsamen Abschlußfahrten der evangelischen und katholischen Schulen.
Die konfessionelle Zusammenarbeit in Ehrenbreitstein und Pfaffendorf blieb anfangs eher förmlich. Aber in Pfaffendorf kam es z.B. unter dem Rektor Breitbach ab 1958 schon zu gemeinsamen Konferenzen, Lehrmittel wurden gemeinsam besprochen. Die Entwicklung in Pfaffendorf verlief insgesamt ähnlich wie in den anderen Schulen, wie es aus der evangelischen Chronik zu entnehmen ist. Über die Anfänge der Nachkriegssituation erfahren wir mehr Einzelheiten aus dem katholischen Tagebuch. Nur die letzten Kriegsmonate werden rückblickend noch einmal in der evangelischen Schule eingeblendet: Unterrichtsausfall, furchtbare Luftangriffe, viele Tage im Bunker und im Horchheimer Tunnel.
Das Kriegsende brachte auch für die evangelische Gemeinde Pfaffendorf die Wiedereinführung der Konfessionsschulen. Als am 1. Oktober die Schule wieder begann, wurden die evangelischen Kinder wegen Lehrermangel zunächst in die katholische Schule geschickt.
Lehrer Gans übernahm die evangelische Schule, die ab 1947 wieder zweiklassig arbeitete, 1948/49 sogar dreiklassig, da die beiden oberen Jahrgänge nach Pfaffendorf eingeschult wurden. 1954 löste Lehrer Schlarb Herrn Gans ab. Er beendete die Zeit der evangelischen Grundschule Pfaffendorf mit dem Eintrag in der Chronik: "Mit dem 1.8.1969 besteht nun eine Simultan-Grundschule in Koblenz Pfaffendorf mit 4 Lehrkräften und 4 Klassen."
 

4. Zusammenfassung

Kaum ein Thema entfacht heute soviel Diskussion wie Schule, Schulreform etc.
Die vorliegende Arbeit macht deutlich, daß der über diese Thematik immer wieder neu entbrennende Streit hinweist auf den engen Zusammenhang von Schule, Gesellschaft und Politik. Es geht bei diesen Diskussionen über Schule auch immer um politische Grundsatzfragen, denn diese spiegeln sich in der Arbeit und dem Alltag in jeder Schule getreulich wieder.
Wir beobachten hier in Pfaffendorf die starken Gegensätze der Konfessionen bis in die Nachkriegszeit hinein, die Gebundenheit der evangelischen Kirche an Thron und Altar, aber auch die besondere soziale Stellung der evangelischen Bevölkerung, die zunächst einer deutlich höheren sozialen Schicht zuzurechnen ist. Der Lehrer ist in der Kaiserzeit noch ganz anders eingebunden in die staatliche Verpflichtung. Politische Ereignisse werden mit Symbolen und Ritualen von den Schulen, insbesondere hier auch von der evangelischen Schule, mitgetragen und gestaltet. Dies gilt für die gesamte Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Nachkriegszeit ist dieser Symbolik und den Ritualen gegenüber aus verständlichen Gründen sehr mißtrauisch. Die Schulchroniken spiegeln auch diese Entwicklung realistisch wieder.
Die Schwierigkeit der Lehrer, sich an die neue Zeit nach dem Ersten Weltkrieg anzupassen, ist durch die Diskussionen über das Dritte Reich fast untergegangen, kann aber mit solchen regionalen Studien wieder hervorgeholt werden. Damit kann die Frage nach der Entstehung des Nationalsozialismus noch einmal am konkreten Beispiel mitverfolgt werden.
Gerade die "im Bekenntnis wurzelnde Persönlichkeit" (Schüler, S.82) als Bedingung für eine funktionierende Bekenntnisschule haben wir mit dem Hauptlehrer Maurer vor uns. Nach dem Zweiten Weltkrieg die besonderen Aufgaben der Konfessionsschule hervorzuheben und die Rolle einer solchen beharrenden protestantischen Lehrerpersönlichkeit einzufordern, wurde auch schon damals nach dem Zweiten Weltkrieg problematisiert (Schüler, 5. 82f).
Die Entwicklung der Schule Pfaffendorf zeigt uns die heute unerträglich scheinenden Verhältnisse, die man sich mit der Konfessionsschule eingehandelt hatte. Sie sind zu erklären mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der damaligen Zeit. Wie weitsichtig muten uns die Diskussionen über die Simultanschule im letzten Jahrhundert an. Doch gerade der Alltag in der Pfaffendorfer Schule macht deutlich, wie schwer es für die damaligen Menschen sein mußte, solche neuen Ideen umzusetzen - und zwar in beiden Konfessionen.
Die schulischen Probleme verschärften sich durch die Konfessionalisierung, heute sehen wir viele Probleme anders. Hüten wir uns aber vor dem vorschnellen Urteil, früher sei alles besser oder schlechter gewesen. Wie sehr die Jugend und Schule nicht eines moralisch wertenden Urteils, sondern der fördernden Unterstützung durch Lehrer, Eltern und Regierung bedarf, muß heute in besonderer Weise eingefordert werden.
Zum Schluß sei Herrn Rektor a.D. Otto Nix für die ausführliche Information und der Schulleiterin der Grundschule Pfaffendorf, Frau Gisela Höher, für die Bereitstellung des Materials herzlich gedankt.

 

 
 

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